GEHEN BEI DER HSG DIE LICHTER AUS?

Vorsitzender Stefan Heil zur prekären Lage der Kinzigtaler Handballer

25.02.2020
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Die Handballspielgemeinschaft (HSG) Kinzigtal durchläuft die größte Krise ihrer Historie. Der Vorsitzende Stefan Heil (52) stellte sich den Fragen der KN-Sportredaktion.

Die erste Mannschaft ist in der Bezirksoberliga Drittletzter, die Zweite und die Damen sind Letzter. Zwei von sechs Jugendteams wurden wegen dreimaligen Nichtantretens vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Gehen bei der HSG die Lichter aus?
Stefan Heil: Gerne würde ich über ein erfreulicheres Thema interviewt werden. Ja, es läuft nicht rund bei uns. Aber davon zu sprechen, dass die Lichter ausgehen, halte ich für überzogen. Nach vielen durchaus erfolgreichen Jahren haben wir etwas Sand im Getriebe. Trotz aller negativen Schlagzeilen sind wir stolz auf das Geleistete, zum Beispiel unsere neu gegründete weibliche C-Jugend. Tatsache ist: Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, zumal das Freizeitangebot in der Region sehr vielseitig ist.

Wie geht das Umfeld mit der prekären Situation um?
Von Panik, Frustration und „ist mir doch scheißegal“ ist alles dabei. Wir tun aber alles, um uns neu zu formieren. Totgesagte leben länger. Vielleicht gehen wir ja gestärkt aus dieser Krise hervor.

Wie haben Sie den Wechsel von Trainer Jakub Kowacki zum TV Flieden aufgenommen?
Jakub hat uns Ende 2019 über diesen Schritt informiert und zugesichert, bis Saisonende zu bleiben, obwohl Flieden ihn sofort wollte. Nach fünf gemeinsamen Jahren und der momentanen Entwicklung kann ich ihn verstehen. Wir sind Jakub sehr dankbar für seine Arbeit, sein Engagement und seine Vereinstreue. Er ist mehr als nur unser Trainer. Er wird immer ein Teil der HSG-Familie bleiben.

Als Leistungsträger über viele Jahre hinweg haben sich vor allem Torhüter Markus Breidenbach und Spielmacher Christian Grauel etabliert. Glauben Sie, dass diese Spieler unabhängig von der Klasse gehalten werden können?
Glaube versetzt bekanntlich Berge. Ob das in diesem Fall ausreicht, kann ich nicht sagen. Hier werden wir noch reden müssen. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall. Und eins sei noch gesagt: Die Spielklasse ist vielleicht für manch einen wichtig, aber bei den Überlegungen sollte auch der Wohlfühlfaktor im Verein in die Waagschale geworfen werden. Auch andere Vereine kochen nur mit Wasser und die höhere Spielklasse ist da vielleicht nur Fassade.

Hat die HSG einen Nachfolger für Kowacki im Auge oder schon kontaktiert?
Es gab schon einige Telefonate, und es folgen in naher Zukunft Gespräche mit Kandidaten. Ich hoffe, dass wir da ziemlich schnell einen Knopf dran bekommen. Diese Position ist doch sehr wichtig und auch entscheidend für unsere Spieler bei ihrer Entscheidung über die eigene Zukunft.

Die Frauen standen letzten Sommer kurz vor einer Spielgemeinschaft mit dem TV Flieden. Wird nach der Saison ein neuer Anlauf genommen?
Wir hatten im letzten Jahr lediglich mal angefragt, ob es nicht Sinn machen würde, im Frauenbereich die Kräfte zu bündeln. Diese Anfrage haben wir für die kommende Saison erneut gestellt, aber bereits eine Absage erhalten. Nun müssen wir prüfen und schauen, wie wir unsere Frauen im Spielbetrieb halten können.

Wäre eine Spielgemeinschaft mit Flieden im Jugendbereich eine Option, zumal die Kader der HSG-Jugendteams meist dünn besetzt sind?
Spielgemeinschaften sind immer eine Option, wenn die geografische Lage passt. In unserem Fall sehe ich da eher organisatorische und logistische Probleme.

Die HSG macht vor Heimspielen sehr viel Werbung. Der Ertrag ist überschaubar. Vor 30 Jahren war der Zuschauerzuspruch noch wesentlich besser. Sehen Sie überhaupt eine Möglichkeit, den Handball im oberen Kinzigtal wieder in den Fokus rücken zu können?
Klares Nein. Wir haben schon mit vielen Ansätzen viel probiert. Der Ertrag zum Aufwand war immer ernüchternd. Das wahnsinnig breite Freizeitangebot ist unser härtester Gegner. Aber diese Problematik betrifft nicht nur den Handball. Selbst die hiesigen Fußballvereine haben damit zu kämpfen.

Sie haben mal gemutmaßt, dass im Bezirk Offenbach/Hanau in einigen Jahren sich nahezu alles auf drei Vereine, TV Gelnhausen, HSG Rodgau Nieder-Roden und HSG Hanau, konzentrieren und der Rest nicht mehr konkurrenzfähig sein wird. Wie begründen Sie dies?
Damit, dass in diesen Vereinen höherklassig gespielt wird und deshalb der Unterbau in der Jugend größer sein muss. Man muss immer davon ausgehen, dass aus den Jahrgängen nur wenige Jugendliche den Sprung an die Spitze schaffen. Auch darf man nicht vergessen, dass in der wichtigsten handballerischen Entwicklungsphase die Weichen für den beruflichen Werdegang gelegt werden. Durch eine Berufsausbildung, ein Studium oder der Liebe wegen verlegt man schon mal seinen Wohnort, um näher am Geschehen zu sein. Und da dies nun mal eher im Rhein-Main-Gebiet als in Fulda sein wird, haben diese Vereine auch noch geografische Vorteile.

Sie sind seit knapp fünf Jahren im Amt. Kommt angesichts der vielen Baustellen Amtsmüdigkeit auf?
In machen Situationen schon. Manchmal frage ich mich: Warum machst Du das eigentlich? Schließlich bin nicht nur erst seit fünf Jahren Vorsitzender, sondern von der ersten Stunde an Mitglied des Vorstands. Allerdings macht die Vorstandsarbeit auch sehr viel Spaß. Schließlich haben wir auch sehr viel richtig gemacht. Generell bin ich ein positiv denkender Mensch. Auf jeden Fall übe ich mein Amt bis Mai 2021 aus. Und in der heute meist kurzlebigen Zeit möchte ich darüber hinaus heute noch nicht mutmaßen. rd