Kowacki bezweifelt Umsetzbarkeit

Trainer der HSG Kinzigtal erläutert neue Handballregeln

kinzigtal-nachrichten_artikel-logo 14.07.2016
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Seit dem 1. Juli sind die vom Weltverband IHF beschlossenen fünf neuen Handballregeln in Kraft. Die KN erörtern die Neuerungen im Gespräch mit Jakub Kowacki (36). Der Trainer von Bezirksoberligist HSG Kinzigtal steht den fünf Regelnovellen skeptisch gegenüber.

Regeländerung Nummer 1: Der Torwart kann als siebter Feldspieler eingesetzt werden. Er muss nicht mehr zwingend durch ein Leibchen gekennzeichnet sein. Ist er das nicht, darf kein Feldspieler den Torraum betreten; der Torwart muss erst für einen Feldspieler eingewechselt werden.
Diese Regel könnte die Sportart verändern. Leider habe ich bis jetzt nicht die Gelegenheit dazu gehabt, diese Situationen mal auszuprobieren oder eine Mannschaft in dieser Form spielen zu sehen. Dies könnte zu einem ständigen Spiel in Überzahl führen, besonders sehr offensive Abwehrvarianten könnten dadurch einfacher ausgespielt werden, und es würde zu ständigen Wechseln kommen. Hier bin ich sehr gespannt, welchen Einfluss diese Regel auf den Handballsport haben wird. Ob positiv oder negativ wird die Zeit zeigen – ich bin skeptisch.

Regeländerung Nummer 2: Ein verletzter Spieler muss das Spielfeld verlassen, nachdem er auf dem Spielfeld medizinisch behandelt wurde, und darf es erst wieder betreten, wenn seine Mannschaft drei Angriffe abgeschlossen hat. Ein Angriff beginnt mit Ballbesitz und endet, wenn ein Tor erzielt wurde oder die angreifende Mannschaft den Ball verliert. Betritt der Spieler das Spielfeld vor Ablauf der drei Angriffe, wird es wie ein Wechselfehler geahndet. Bei einer progressiven Bestrafung des Gegenspielers des Gefoulten gilt die Regel nicht; ebenso bei einem Torwart, der nach einem Kopftreffer liegenbleibt.
Das sehe ich als großen Unsinn an. Die Mannschaft, deren Spieler gefoult worden ist und verletzt auf dem Spielfeld behandelt wird, wird zusätzlich mit dieser Regel bestraft und geschwächt. Natürlich gibt es den ein oder anderen Spieler, der eine Verletzung vortäuscht, um den Gegner aus dem Spielrhythmus zu bringen. Aber wir sind beim Handball bei weitem nicht so weit wie im Fußball. Darüber hinaus würde das Spielgericht eine weitere Aufgabe bekommen, auf diese Drei-Angriffsregel zu achten.
Regeländerung Nummer 3: Nach der Anzeige des Vorwarnzeichens hat die vorgewarnte Mannschaft maximal sechs Pässe zur Verfügung, um auf das Tor zu werfen. Wenn der angreifenden Mannschaft ein Freiwurf zugesprochen wurde, wird die Anzahl der Pässe nicht unterbrochen. Das Zählen der Pässe erfolgt durch den Schiedsrichter und ist eine Tatsachenfeststellung.
Grundsätzlich könnte diese Regel etwas mehr Transparenz in Sachen Zeitspiel bringen. Nichtsdestotrotz bleibt die Anzeige des Zeitspiels und ab wann der Schiedsrichter die Pässe zählt, im Ermessen des Schiedsrichters.
Regeländerung Nummer 4: Begeht ein Abwehrspieler in den letzten dreißig Sekunden eine grobe Regelwidrigkeit oder unterbindet regelwidrig eine Wurfausführung (Anwurf, Abwurf, Freiwurf, Einwurf), erhält er nun eine Rote Karte ohne Bericht. Außerdem bekommt die gegnerische Mannschaft automatisch einen Siebenmeter zugesprochen.
Bei klaren Verstößen finde ich diese Regel nicht schlecht. Oft habe ich Spiele gesehen, bei denen in den letzten Sekunden durch unfaires Spiel ein Sieg oder Unentschieden gerettet worden ist. Was passiert aber, wenn der Schiedsrichter die Situation völlig anders einschätzt, zum Beispiel ein Allerweltsfoul für unfaires Spiel hält oder wenn Spieler diese Situationen provozieren? Auf hohem Niveau könnte man im Amateurbereich einen Videobeweis herbeiführen.
Regeländerung Nummer 5: Die Schiedsrichter haben zusätzlich zur Gelben und Roten auch eine Blaue Karte zur Verfügung, um bei einer Disqualifikation eines Spielers für mehr Klarheit zu sorgen. Wenn die Schiedsrichter – nach dem Zeigen der Roten Karte – auch noch die Blaue Karte zeigen, wird ein schriftlicher Bericht in den Spielbericht aufgenommen, und die Disziplinarkommission ist für weitere Maßnahmen verantwortlich.
Grundsätzlich habe ich nichts gegen diese Regel. Sie ist eindeutig.

Kowackis Fazit: Meiner Meinung nach gibt es wie immer bei der Einführung neuer Regeln Unsicherheiten, ob die Regeln den Sport nicht zu sehr verändern und ob sie auch in allen – vor allem in den unteren – Spielklassen sinnvoll sind. Ich bin bei einigen der neuen Regeln skeptisch, ob diese auch in den Amateurklassen umzusetzen sind.

rd

Kinzigtal-Nachrichten (Ausgabe 14.07.2016). Eingestellt: Hans-Ludwig Walther.